Bad Oldesloe.
Der Mörder kam in Filzpantoffeln: Als 1960 das berühmte „Hier spricht Edgar Wallace“ durch das Ahrensburger Schloss hallte, musste „Der grüne Bogenschütze“ in dem unpassenden Schuhwerk hinter der Standuhr lauern, um die wertvollen Böden des historischen Drehortes nicht zu beschädigen. 1960 wurde in Ahrensburg von der Rialto-Film der Krimiklassiker mit Regisseur Jürgen Roland gedreht. Im Kreisarchiv Stormarn lagern Materialien, die die Ereignisse rund um die Dreharbeiten festgehalten haben.

Gert Fröbe, Karin Dor, Klausjürgen Wussow und Eddie Arent gingen damals im Herrenhaus ein und aus. Den grünen Bogenschützen spielte übrigens Heinz Weiss, den man später wie auch Wussow beim „Traumschiff“ wiedersah. Fröbe soll laut „Hamburger Abendblatt“ ob des seltsamen Schuhwerks gespöttelt haben, die altersschwachen Treppen im Gebäude könnten womöglich sein Gewicht nicht tragen. Sie hielten stand, genau so wie das kostbare Interieur, um das die Ahrensburger damals bangten. „Doch fragt die Bevölkerung besorgt, ob in Zu-sammenhang mit diesen Filmaufnahmen alles getan wird, um das wertvolle Inventar zu schützen“, schrieb das „Stormarner Tageblatt“ 1960.
Der Bericht trug wenig dazu bei, die Sorgen der Bevölkerung zu zerstreuen. „Bisher explodierten Bomben im Schloß, Fensterscheiben des Schlosses wurden reihenweise zertrümmert, und der Sanssouci-Saal glich einer Räucherkammer. Das sind aber erst Vorproben der letzten großen Sensation, die erst nach Neujahr gestartet wird: Schloß Ahrensburg soll brennen“, begann der Artikel recht reißerisch.
Schloss wird zum Schiff
Im Krimi geht es um ein englisches Schloss, in dem einer Legende nach der grüne Bogen-schütze umgeht. Schlossherr Able Bellamy glaubt nicht an das Gespenst, bis eines Tages sein Freund mit einem Pfeil getötet wird. Das englische Schloss wurde vom Ahrensburger Schloss gespielt. „Der ehrwürdige Bau ist vorübergehend zum englischen Garre Castle ge-worden“, schrieben die „Lübecker Nachrichten“. „Zwischendrin hatte man einige Außenaufnahmen am Ahrensburger Bahnhof gedreht, falls der gelegentliche Schneefall einen Strich durch die Drehpläne machte.“
Doch die Dreharbeiten gingen voran, wenn auch nicht ohne Zwischenfall: In einer Filmszene sollte ein Darsteller aus dem Schloss rennen, in ein Auto springen und mit voller Fahrt davon rasen. Dabei kriegte er die Kurve nicht, streifte einen Poller und beschädigte auch noch einige technische Geräte. Grund für den Unfall war, dass der Wagen für die überstürzte Flucht an einem Seil gezogen wurde. In der Eile hatte der Darsteller die Bremse nicht gefunden.
Selbst das Schloss blieb nicht das Schloss. „Im Keller des Schlosses hat die Filmgesellschaft ganz nebenbei eine Szene gedreht, die im Innern eines Schiffs spielt“, so das „Stormarner Tageblatt“. „Die dunklen, von vielen Röhren durchzogenen Räume des Schloßkellers schienen ihr besonders geeignet zu sein.“
Zwei weitere Wallace-Krimis im Schloss
„Der grüne Bogenschütze“ war nicht der einzige Wallace-Krimi, der im Ahrensburger Schloss gedreht wurde. „Ein Jahr nach den Dreharbeiten zu „Der grüne Bogenschütze“ entstieg Brigitte Grothum als „Die seltsame Gräfin“ mit Pistolen bewaffnet dem Dielenschrank des Schlos-ses“, schrieb Stadthistorikerin Christa Reichardt in ihrem Buch.
„Immer wieder peitschten Pistolenschüsse vor dem Schloßportal, aber niemand wurde verletzt oder umgebracht“, hieß es im Oktober 1961 in den „Stormarner Nachrichten“. „Die Rialto-Filmgesellschaft Preben Philipsen drehte mit dem Renaissance-Schloß als Hintergrund die letzten Außenaufnahmen zu dem Kriminalfilm „Die seltsame Gräfin“ nach einem Roman von Edgar Wallace.“
Darin beschützt Joachim Fuchsberger eine junge Frau, auf die immer wieder Mordanschläge verübt werden. „Mehrere Male mußte die Schießszene wiederholt werden, weil die Platzpatronen in den Revolvern oft versagten“, so der Journalist. „Zwar wurde ohne Ton gedreht. Aber das starke Mündungsfeuer der „Kanonen“ sollte doch naturgetreu auf den Filmstreifen gebannt werden.“ Fuchsberger habe seine Kollegin zudem glauben gemacht, dass eine Puppe aus dem ersten Stock auf sie fallen würde – ein Scherz unter Schauspielern.
Drei Premieren 1961
„Der grüne Bogenschütze“ hatte noch nicht Premiere, da liefen bereits die Dreharbeiten
für „Die toten Augen von London“. Wobei dem Ahrensburger Schloss laut „Hamburger Abendblatt“ diesmal nur eine Nebenrolle vergönnt war: „Die Szenen an der Film-Themse ent-standen hauptsächlich in Hamburg-Altona und vor dem Fleetschlösschen in der Spei-cherstadt. Weitere Außenaufnahmen drehte man allerdings hinter der Schlosskirche in Ahrensburg bei den sogenannten Gottesbuden.“
Dennoch machte das Schloss seine Sache gut. „Als Höhepunkte der Täuschung gelten die
‚Wasserleichen-Szene‘ in die „Toten Augen von London“, die in Hamburgs Speicherstadt gedreht und dem Publikum als Themsenabschnitt untergejubelt wurde, sowie Schloss Ahrensburg in Schleswig-Holstein, das zum Landschloss von Lady Moron in „Die seltsame Gräfin“ umfunktioniert wurde“, hält das Film- und Fernsehmuseum Hamburg fest. Alle drei Filme hatten 1961 Premiere.
Nachdem das Ahrensburger Schloss zur Kulisse düsterer Verbrechen wurde, führt nächste Woche der nächste Blick die Kamera an einen ganz anderen Ort – zu einem romantischen Rendezvous. Doch auch hier bleibt die Frage: Was verbirgt sich hinter den gut gedeckten Tischen und dem Champagner, der in Lütjensee fließt?