Energiewendeminister Goldschmidt: „Dieses Gesetz ist der Rahmen, um das gemeinsame Ziel der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen.“
KIEL. Das Kabinett hat heute (1. Oktober) dem finalen zweiten Entwurf der Gesetzesnovelle zur Energiewende und zum Klimaschutz in Schleswig-Holstein (EWKG) endgültig zugestimmt. Mit der Novelle wird das ambitionierte Koalitionsziel der Klimaneutralität 2040 gesetzlich festgeschrieben. Gleiches gilt für das Ziel von mindestens 45 Terrawattstunden (TWh) jährlicher Stromerzeugung an Land durch Erneuerbare Energien ab dem Jahr 2030.
„Schleswig-Holstein ist und bleibt beim Klimaschutz besonders ambitioniert – das zeigt dieses novellierte Klimaschutzgesetz. Die Menschen in unserem Land zwischen zwei Meeren sind von der Klimakrise besonders betroffen und profitieren zugleich von den Chancen der Energiewende. Unser Klimaschutzgesetz ist Ausdruck der Tatsache, dass der Klimaschutz viel Rückhalt genießt. Es bildet den Rahmen, um das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel der Klimaneutralität bis 2040 zu erreichen“, betonte Klimaschutzminister Tobias Goldschmidt. Mit der EWKG-Novelle lege Schwarz-Grün ein Gesetz vor, welches die Dringlichkeit der Maßnahmen zeige, aber auch Augenmaß walten lasse. „Das klimaneutrale Industrieland ist ein riesiger Kraftakt, den wir mit einer guten Portion Pragmatismus begleiten. Aber dieser lohnt sich – denn wir machen unsere Gesellschaft und Wirtschaft damit fit für die Zukunft.“
Die Landesregierung reagiert mit der Gesetzesänderung zudem auf veränderte Rahmenbedingungen im Bund. Durch die Novellierung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sowie die Verabschiedung des Wärmeplanungsgesetzes (WPG), des Energieeffizienzgesetzes (EnEfG) und des Klimaanpassungsgesetzes (KAnG) wurden weitreichende Gesetzesanpassungen auch auf Landesebene notwendig. Der heute beschlossene EWKG-Entwurf war nach der Verbändeanhörung und Beteiligung der Träger öffentlicher Belange über den Sommer überarbeitet worden und wird nun dem Landtag zur weiteren Beratung und Beschlussfassung zugeleitet.
„Das Ausbauziel für Erneuerbare Energien ist jetzt gesetzlich verankert. Wir haben in diesem Gesetz ganz konkret einige echte Klimaschutzbooster eingebaut – beispielsweise einen PV-Standard für Neubauten von Wohnhäusern und Parkplätzen mit mehr als 70 Stellplätzen und einen klimaneutralen ÖPNV. Und vor allem: Wärmenetze müssen ab 2040 klimaneutral betrieben werden. Wir machen uns damit früher als andere Regionen unabhängig von Kohle, Öl und Gas“, sagte Goldschmidt.
„Dieses Jahr der Starkregen und Überschwemmungen – zuletzt in Südostdeutschland – hat gezeigt, wie dringend wir uns auf neue Zeiten einzustellen haben. Mit dieser Novelle senken wir daher nicht nur unsere THG-Emissionen, sondern steigern erstmals auch unsere Maßnahmen, um uns an die Gefahren von Starkregen und Stürmen anzupassen. Deswegen verpflichten wir die Kommunen dazu, klar definierte Klimaanpassungskonzepte vorzulegen. Dabei lassen wir sie nicht allein, jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt erhält 150.000 Euro für die Konzepterstellung. Gemeinsam machen wir Schleswig-Holstein klimakrisenfest“, sagte Goldschmidt. „Das ist ein Dauerlauf, der unser Land nicht nur widerstandsfähiger macht, sondern auch die Lebensqualität steigert.“
Gleichzeitig schaffe man Klarheit und Orientierung für die Menschen im Land und die für die Wärmewende verantwortlichen Kommunen, sagte Goldschmidt. Die Überarbeitung in der heute verabschiedeten Fassung sorgt bei der Wärmeplanung vor allem für kleinere Kommunen für Vereinfachungen. Zudem ist das Gesetz an einigen Stellen noch klarer gefasst, um die Umsetzung zu erleichtern. „Wir wissen, dass die Wärmewende in unseren Kommunen viele Kräfte bindet. Mit diesem Gesetz geben wir ihnen Planungssicherheit und schaffen pragmatische Vereinfachungsoptionen: von verkürzten Verfahren bis hin zur Möglichkeit, die Wärmeplanung im sogenannten Konvoi-Verfahren gemeinsam zu erstellen. Wir haben alle Spielräume aus dem Wärmeplanungsgesetz ausgenutzt, damit unsere Kommunen die Wärmewende möglichst unbürokratisch und unkompliziert planen und sich rechtzeitig darauf einzustellen können“, sagte Goldschmidt.
„Wir achten gleichzeitig darauf, dass die Wärmewende bezahlbar bleibt. So wollen wir bei den Fernwärmepreisen für mehr Transparenz sorgen und Kosten senken. Wärmenetze sind Möglichmacher für die klimaneutrale Wärmeversorgung und werden sich auf Dauer nur durchsetzen, wenn dort Wärme zu wettbewerbsfähigen Preisen angeboten wird.“
Wichtige Neuregelungen der EWKG-Novelle
- Klimaziel: Das im Koalitionsvertrag vereinbarte Ziel der Klimaneutralität 2040 wird im neuen EWKG gesetzlich festgeschrieben;
- Ausbauziel für Erneuerbare Energien: Das Ziel von mindestens 45 Terawattstunden (TWh) jährlicher Stromerzeugung aus Erneuerbare Energien an Land ab dem Jahr 2030 wird ebenfalls im EWKG gesetzlich festgeschrieben. Zum Vergleich: Im Jahr 2023 waren es 20,6 TWh; im Jahr 2012 nur 10,4 TWh.
- PV-Standards: Beim Neubau von Wohngebäuden, bei größeren Dachrenovierungen von Nichtwohngebäuden, bei Parkplatzneubauten, -erweiterungen und -sanierungen ab 70 Stellplätzen besteht zukünftig eine PV-Verpflichtung.
- Landesverwaltung: Die Verwaltung geht mit gutem Beispiel voran und soll bis 2040 treibhausgasneutral werden. Bis 2030 sollen die Emissionen um mindestens 65 Prozent gegenüber 2015-17 sinken. Dafür sollen die Landesliegenschaften an Wärmenetze angebunden und der Anteil energetisch sanierter Gebäude steigen. Bei Baumaßnahmen sollen nachwachsende, recycelte oder recyclingfähige Baumaterialien standardmäßig verwendet werden, wenn diese technisch geeignet sind. Bis Ende 2030 sollen auf diesen Gebäuden PV-Anlagen mit einer Leistung von 12.500 kWp installiert sein. .
- Klimaneutraler ÖPNV: Bis 2030 fährt der Schienennahverkehr – dies umfasst S-Bahnen oder Regionalbahnen – klimaneutral. Ab 2040 fahren alle Fahrzeuge des ÖPNV klimaneutral – auch wenn Verkehrsdienstleistungen von Dritten erbracht werden. Ab dem Jahr 2035 werden Neugenehmigungen für Mietwagen, Taxis und andere Formen des Sammelverkehrs nur noch erteilt, wenn die Fahrzeuge emissionsfrei sind. Dies soll durch die Förderung etwa von Ladesäulen und Wasserstofftankstellen gefördert werden.
- Transparente und faire Fernwärmeversorgung: Wärmenetzbetreiber werden mit dem neuen EWKG verpflichtet, jede Preisänderung in ein Meldeportal einzugeben. Ein neues Online-Portal zeigt den Ausbau der Wärmenetze, um die Wärmewende öffentlich darzustellen. Darüber hinaus müssen Fernwärmeunternehmen, die aufgrund überdurchschnittlich hoher Betriebskosten und ineffizient betriebener Netze hohe Preise nehmen, einen Sanierungsfahrplan für ihr Wärmenetz vorlegen, um Ursachen für die hohen Kosten zu beseitigen.
- Klimafreundliches Heizen: 15 Prozent der Wärmeversorgung bestehender Gebäude muss weiterhin aus Erneuerbaren Energien stammen, bis die weitergehenden Verpflichtungen des GEG greifen. Ist dieser 15-Prozent-Anteil gegeben, kann neben der Wärmepumpe, Solarthermie oder Fernwärme auch übergangsweise eine Öl-, Gas- oder elektrische Heizung genutzt werden.
- Wärmeplanung: Für die nach dem Wärmeplanungsgesetz des Bundes vorgeschriebene Wärmeplanung werden in Schleswig-Holstein die Gemeinden verantwortlich sein. Dafür erhalten Sie über das Land Bundesmittel in Form eines finanziellen Ausgleichsbetrags von insgesamt 17 Millionen Euro. Für die Umsetzung gilt das Zieljahr 2040: Wärmenetze müssen in Schleswig-Holstein – entsprechend des im Gesetz verankerten Klimaziels – spätestens ab dem Jahr 2040 klimaneutral betrieben werden, der Anteil der Erneuerbaren bei 100 Prozent liegen. Dabei bietet das Land vielfältige Unterstützungen und Förderungen an und sieht darüber hinaus für die Wärmeplanung besonders für kleine oder von Wärmenetzen abgeschnittene Kommunen Erleichterungen vor:
- Für Gemeinden, die wahrscheinlich keinen Anschluss an ein Wärme- oder Wasserstoffnetz erhalten, gibt es die Möglichkeit eines verkürzten Verfahrens für die Wärmeplanung;
- Gemeinden, die kleiner als 10.000 Einwohner sind (Stand 01.01.2024) können ein vereinfachtes Verfahren durchlaufen;
- Das vereinfachte Verfahren zur kommunalen Wärmeplanung ermöglicht es beispielsweise, die Öffentlichkeitsbeteiligung zu vereinfachen. Nicht mehr vorgeschrieben ist die Wärmeverbrauchsdatenerfassung, die Darstellung der Baualtersklasse der Gebäude und der Letztverbraucher.
- Mit der zweiten Kabinettsbefassung wurden die Möglichkeiten zum vereinfachten Verfahren besonders für kleinere Kommunen deutlich erweitert.
- Das Land schafft benachbarten Kommunen die Möglichkeit, eine gemeinsame Wärmeplanung durchzuführen (Konvoi-Verfahren). Dabei können die Gemeinden die Aufgabe an das zuständige Amt oder den Kreis übertragen;
- Bereits verpflichtete Kommunen erhalten ein Wahlrecht, ob sie nach dem bisherigen EWKG (Ende 2024 oder Ende 2027) ihre Wärmeplanung machen oder nach dem WPG (2025 bzw. 2028).
- Bereits vorgelegte Wärmepläne haben Bestandsschutz.
- Anpassung an den Klimawandel:
Durch die Umsetzung des Klimaanpassungsgesetzes müssen Kreise und kreisfreien Städte bis zum 30.9.2029 Klimaanpassungskonzepte erstellen. Dafür erhalten sie eine einmalige Zahlung in Höhe von 150.000 Euro. Die zu erstellenden Klimaanpassungskonzepte müssen mindestens folgende Elemente enthalten:
- Eine Klimarisikoanalyse oder eine vergleichbare Entscheidungsgrundlage;
- Eine Darstellung der Handlungsfelder, in denen Anpassungsbedarf besteht;
- Einen Maßnahmenkatalog zur Umsetzung des Klimaanpassungskonzepts.
- Biologischer Klimaschutz: Weil Moore Kohlenstoff speichern und als Wasserspeicher bei der Klimaanpassung helfen, sollen diese geschützt und renaturiert werden. Auch Humus soll als Kohlenstoffspeicher und –senke erhalten und aufgebaut werden.
Weitere Information
Künftig soll das Gesetz die Anpassung an den Klimawandel ebenfalls berücksichtigen und daher „Gesetz über die Energiewende, den Klimaschutz und die Anpassung an die Folgendes Klimawandels (EWKG)“ heißen.