Kitaplätze für unter Dreijährige: Eltern haben Anspruch auf Schadensersatz und Amtshaftung wegen Verdienstausfalls

0

Nachdem vor einigen Jahren der Rechtsanspruch der Eltern auf einen Kitaplatz auch auf die Altersgruppe der unter Dreijährigen ausgeweitet wurde, zieht dies weitere rechtliche Konsequenzen nach sich: wird durch einen öffentlichen Träger (Stadt, Gemeinde, Kreis o.ä.) ein entsprechender Betreuungsplatz schuldhaft nicht rechtzeitig oder gar nicht zur Verfügung gestellt, entsteht für die Eltern ein Anspruch auf Schadensersatz und Amtshaftung im Hinblick auf einen möglichen Verdienstausfall. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer jüngsten Grundsatzentscheidungen festgestellt.

Foto: fotolia
Foto: fotolia

Nachfolgend finden Sie weitere Infos, bereitgestellt durch den Schleswig-Holsteiner Gemeindetag:

SHGT – info – intern Nr. 183/16

BGH-Urteile:  Verdienstausfall für Eltern möglich bei fehlendem Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinen Urteilen vom 20.Oktober 2016 mögliche Amtshaftungsansprüche von Eltern wegen nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellter Kinderbetreuungsplätze bejaht (Anlage). Es muss aber noch ein Verschulden der Kommune als örtlich zuständiger Träger der öffentlichen Jugendhilfe festgestellt werden.

Zur Klarstellung Der Anspruch der Eltern richtet sich nicht gegen Wohnsitzgemeinden der Eltern, sondern immer gegen den zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Dies sind in Schleswig-Holstein die Kreise und kreisfreien Städte. Dies wurde leider in den Medien nicht immer so differenziert dargestellt.

Hintergrund Vor dem Landgericht Leipzig hatten in drei Fällen Mütter ihren Verdienstausfall eingeklagt, weil ihren Kindern nicht mit Vollendung des ersten Lebensjahres von der beklagten Stadt Leipzig ein Betreuungsplatz in einer Tageseinrichtung zugewiesen wurde. In allen beim Landgericht Leipzig eingeklagten insgesamt drei Prozessen wurde den Klagen stattgegeben. Die Berufung der Stadt Leipzig dagegen wurde stattgegeben und vom OLG Dresden die Klagen abgewiesen. Hiergegen richtete sich die erfolgreiche Revision der Kläger.

Bewertung Das Urteil des BGH bestätigt die Rechtsauffassung des SHGT. Danach richtet sich der Rechtsanspruch gegen die Kreise als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf einen Platz in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege und somit auch ein möglicher Schadensersatzanspruch. Beide Betreuungsformen können dabei als gleichwertig und gleich geeignet betrachtet werden. Wenn Eltern ein Schaden entsteht, weil ein benötigter Betreuungsplatz für unter Dreijährige fehlt, müssen die Kreise als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit finanziellen Forderungen auf Schadenersatz rechnen. Allerdings sind diese Ansprüche nicht grenzenlos. Eltern haben den Bedarf für eine Betreuung ihrer Kinder unter drei Jahren so frühzeitig wie möglich anzumelden. Das ergibt sich für die Erziehungsberechtigten aus ihrer Pflicht zur Schadensminderung. Den öffentlichen Trägern muss dabei zugestanden werden, dass sie mindestens drei Monate Zeit haben müssen, eine Betreuung bereitzustellen.

Juristisch hat der BGH nun die Grundsatzentscheidung getroffen, dass der Rechtsanspruch nach § 24 Abs. 2 SBG VIII des Kindes auf einen Betreuungsplatz auch drittschützenden Charakter hat, nämlich grundsätzlich auch den Eltern einen Amtshaftungsanspruch nach § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Artikel 34 Satz 1 GG für einen Verdienstausfall zugesteht.

Nach dieser Grundsatzentscheidung des BGH vom 20.Oktober 2016 wurden die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG Leipzig als Berufungsgericht zurückverwiesen. Dort ist nun in weiteren Verhandlungen im Einzelfall festzustellen, inwieweit ein Verschulden des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe (hier die Stadt Dresden) vorliegt und inwieweit die Eltern ihrer möglichen Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen sind.

Aus Sicht des SHGT hat das Urteil keine Signalwirkung und wird keine Klagewelle auslösen, da der quantitative und qualitative Kita-Ausbau in den Gemeinden nach wie vor hohe Priorität genießt. Dies wird durch die hohe und schnelle Inanspruchnahme der Investitionsförderprogramme im Bereich U3 immer noch deutlich. Auch ist die Spitzenstellung (Rang 1) Schleswig-Holsteins bei einem Vergleich mit den anderen westdeutschen Flächenländern in der Versorgungslage mit U3 Plätzen hervorzuheben. Sicherlich kann nicht allen Eltern „ihr“ Wunschkitaplatz erfüllt werden. Vielerorts wurden und werden aber konstruktive Lösungen bei der Erfüllung des Rechtsanspruchs gemeinsam mit den Eltern entwickelt und gefunden.

Forderungen an das Land  Das Urteil verdeutlicht die Problematik der „unvorhersehbaren Bedarfe“ bzw. der Vorsorgekosten bei den Gemeinden. Bereits das LG Leipzig hat hier eine Pflicht zur Vorsorge konstatiert, diese Vorsorgekosten sind aber auch im Rahmen der Konnexität durch das Land zu berücksichtigen. Das Sozialministerium erkennt dieses Problem bislang nicht an. Sowohl die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe als auch die Gemeinden können diese Last nicht alleine tragen. Der SHGT fordert seit langem bei der Verteilung der Landesmittel auf die Kreise eine Orientierung nicht an der Zahl der tatsächlich betreuten Kinder, sondern an der Zahl der vorgehaltenen Plätze in den Bedarfsplänen. Dann würden auch diese Plätze bei der Landesmittelverteilung eine Berücksichtigung durch das Land erfahren, die von den Gemeinden und den örtlichen Trägern der öffentlichen Jugendhilfe in den Bedarfsplan u.a. für „unvorhersehbare Bedarfe“ eingeplant sind. Bisher werden unbesetzte Plätze vom Land nicht gefördert. Der SHGT wird diese Position vor dem Hintergrund der Gerichtsentscheidung weiter vertreten.

– Ende info

Kommentar schreiben (erst nach Moderation sichtbar)

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

*