USB tritt nicht zur Kommunalwahl an

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Mitteilung der USB Fraktion zur Kommunalwahl am 14. Mai 2023


Der Lebenszyklus der FrakƟon der „Unabhängigen Stadtvertreter*innen Bargteheide (USB)“, welche aus den beiden parteilosen und unabhängigen Stadtvertretern Holger Schröder und Klaus Mairhöfer sowie bürgerlichen Mitgliedern gebildet wird, endet mit der Kommunalwahl am 14. Mai 2023. Grund? Die von der CDU geführte Landesregierung von Schleswig-Holstein hat einen Gesetzentwurf eingebracht, der die demokratischen Rechte der Bürger stark beschränkt, dafür aber den Parteien dienlich ist.

Professor Dr. Edzard Schmidt-Jortzig von der Universität Kiel kommentiert dies so: Es handelt sich um “Die Eindämmung der unmittelbaren Bürgerbeteiligung in Gemeinde und Kreis“. Dies betrifft zum einen die Bürgerentscheide und zum anderen die unabhängigen bzw. parteilosen Kommunalvertreter in den Gemeinden. Der Aufruf nach mehr bürgerlichem Engagement ist ein Lippenbekenntnis und folgt dem Prinzip, Wasser zu predigen und Wein zu trinken.

 

Holger Schröder und Klaus Mairhöfer


In den Wahllisten zur Kommunalwahl am 14. Mai 2023 für Bargteheide finden sich außer uns beiden keine weiteren unabhängigen oder parteilosen Kandidaten. Dies bedeutet, dass selbst wenn wir beide in unseren Wahlkreisen direkt gewählt werden, wir keine Fraktion mehr bilden können, da die Fraktionsstärke durch das oben genannte Gesetz von zwei auf drei Mitglieder angehoben wird. Dies hat massive Auswirkungen:


Die USB Fraktion endet zwangsweise mit dem Abschluss der laufenden Wahlperiode;
Wir haben als parteilose Einzelvertreter nur noch in der Stadtvertretung Stimmrecht (die politische Tagesarbeit geschieht aber in den Ausschüssen);
Wir könnten uns in Ausschüssen nicht durch sogenannte „Bürgerliche“ vertreten lassen;
Wollen wir wenigstens informiert bleiben, müsste jeder von uns zusätzlich zu den Sitzungen der Stadtvertretung alle 6 Ausschüsse dauerhaft selbst besuchen, was schlichtweg nicht leistbar ist;
Bei Informationstreffen und Sitzungen der Fraktionsvorsitzenden dürfte keiner mehr von uns teilnehmen;
Da nur Fraktionen „Große Anfragen“ stellen dürfen, entfällt ein wichtiges politisches Instrument, um zum Beispiel mehr Transparenz zu erreichen (siehe nachfolgende Seiten);
Und natürlich erhalten wir auch keine „Fraktionszuschüsse“ mehr, um unsere Aufwendungen zu finanzieren;
So eingeschränkt können wir unsere SƟmme für die Bewohner unserer Wahlkreise nicht mehr zur Geltung bringen.


Weder Holger Schröder noch ich werden rechtelos in eine Stadtvertretung eintreten und daher, sofern die Wähler bei uns ein Kreuz machen, was einer echten Protestwahl gleichkäme, haben wir den Wählern unserer Bezirke mitgeteilt, dass wir die Wahl nicht annehmen.

Das Verfassungsgericht Schleswig-Holstein hatte die 5 % Hürde für die Kommunalwahl abgeschafft. Die jetzt eingeführte Mindeststärke einer Fraktion auf drei Mitglieder ist für Bargteheide gleichzusetzen mit einer 9 % Hürde. Ob das Gesetz vor dem Verfassungsgericht Bestand hat, ist fraglich, es wird jedoch voraussichtlich bis zu einem entsprechenden Urteil Jahre dauern.


Die USB Fraktion hat sich in der nun ablaufenden Wahlperiode vor allem für eine Modernisierung der Verfahren und für Transparenz eingesetzt. Wir haben den komplexen Haushalt der Stadt Bargteheide, der 332 Seiten umfasst, in Excel eingegeben und mit entsprechenden Verknüpfungen so gestaltet, dass, egal an welcher Stelle eine Änderung eines Betrags getätigt worden wäre, das veränderte Ergebnis sofort sichtbar ist und auch, ob dadurch die Kreditaufnahme sich verändern muss. Wir wollten das Instrument nicht nur dem Haushaltsausschuss, sondern auch der Stadt gerne zur Verfügung stellen, jedoch wurde es mit dem Argument abgelehnt, dass bei der Eingabe in Excel Fehler passieren können und dies dann zu umfangreichen Fehlersuchen führen würde.

Nun, auch die Verwaltung gibt die Zahlen händisch ein und die Argumentation zeugt davon, dass die Kenntnis über die Kontrollfunktionen innerhalb Excel einfach nicht vorhanden ist. Für uns hat Excel sofort erkennbar gemacht, dass eine Investition von über 1 Million € doppelt in einem Haushalt vorhanden war und, dass die angesetzten Energiekosten für 2023 viel zu hoch waren. Mit Rechenprogrammen und unter Zuhilfenahme von Wärmegradtabellen kann man nämlich eine Prognose rechnen und so konnten mehr als 3 Millionen € aus dem ersten Entwurf gestrichen werden. Die Stadt aber wird weiterhin ihren Haushalt im PDF-Format den Ausschussmitgliedern zur Verfügung stellen, diese machen sich mit dem Bleistift an die Arbeit, die Stadt verteilt Änderungslisten. Und Ausschuss A weiß nicht was der Ausschuss B beschlossen hat.


Bargteheide hat im Ratssaal eine wunderbare Technik, die es erlaubt, Beschlüsse, über die abgestimmt werden soll, allen deutlich sichtbar, an die Wand zu werfen. Nicht nur Beschlüsse, auch Auswirkungen auf den Haushalt könnten so während der Sitzung ersichtlich werden. Stattdessen werden Beschlüsse vorgelesen, Änderungen von dem/der Protokollant*in eingepflegt noch mal vorgelesen und gegebenenfalls wiederholt sich dieses Procedere öfters. Digitalisierung ist angeblich wichtig und eine Vorreiterrolle wäre es auch. Wir hatten auch angeregt die von der Bürgermeisterin zum Teil sehr kurzfristig einberufenen Informationssitzungen zu aktuellen Anlässen für die Fraktionsvorsitzenden nicht mehr mit persönlicher Präsenz zu gestalten, sondern die notwendigen Informationen über Videocall mit WebEx oder Zoom oder einem ähnlichen Programm durchzuführen. Die Bürgermeisterin lehnt diesen Vorschlag ab, da „nach ihren Erfahrungen“ auf die persönliche Teilnahme zu bestehen ist. Keinesfalls wollen wir die Erfahrungen aus Großhansdorf klein reden, aber spätestens während der Pandemie hat sich doch her-
ausgestellt, dass die Kommunikation über Videocalls von der Kommune bis zu weltweit agierenden Unternehmen positiv funktioniert.


Zu den Forderungen der Jugend nach eigenverwalteten Räumlichkeiten hatten wir vorgeschlagen, einen Neubau an der Stelle zu planen, wo heute die Container als „vorübergehende Lösung“ (seit mehr als 10 Jahren) stehen. Bargteheide verfügt über eine Kassenliquidität von mehr als 20 Millionen € laut dem Vorbericht zum Haushalt des Jahres 2023. Vielleicht hülfe ja ein wenige Kreativität. Wenn wir beide unabhängigen und parteilosen Stadtvertreter den Fraktionsstatus verlieren, haben wir nicht nur keine Stimmberechtigung mehr in den Ausschüssen, sondern, und dies ist entscheidend, wir können auch keine großen Anfragen mehr stellen. Warum sind große Anfragen wichtig? Wir möchten dieses an zwei Beispielen verdeutlichen.

Beispiel 1 – Veränderung der Verwaltungsstruktur:
Der Hauptausschuss der Stadt Bargteheide hat eine Untersuchung in Auftrag gegeben, um zu prüfen, ob die derzeitige Verwaltungsstruktur effizient ist oder eine Veränderung zu besseren Ergebnissen führt. Natürlich ist die Grundlage einer Empfehlung für die Zukunft immer die Aufnahme des Ist-Zustandes, d.h. auch zu sehen, wo denn der Sand im Getriebe steckt. Die Bürgermeisterin weigert sich, diese Untersuchung dem Ausschuss zur Verfügung zu stellen. Stattdessen wurde ein sogenanntes Management Extrakt den Stadtvertretern zur Kenntnis gegeben, und zwar, ohne dass die Tagesordnung der entsprechenden Sitzung auch nur ansatzweise erkennen ließ, dass die Veränderung der Verwaltungsstruktur ein zu behandelnder Gegenstand während der Sitzung ist. Die dem CDU Landrat unterstellte Kommunalaufsicht findet das in Ordnung. Die der Kommunalaufsicht übergeordnete Behörde im Innenministerium prüft den Vorgang momentan. Dass so wichtige Punkte wie „Die Veränderung der Verwaltungsstruktur“ behandelt werden können, ohne dass sie in der Tagesordnung aufgeführt werden bedeutet einen völlig neuen Rechtsansatz für das Vereins- Gesellschafts und Aktienrecht. Die Prüfung des Vorgangs durch das Innenministerium wird voraussichtlich kein Ergebnis vor der Kommunalwahl erbringen und da die USB Fraktion mit Abschluss der Wahlperiode endet, werden wir nie herausfinden, zu welchen Punkten die Bürgermeisterin dem Gutachten folgte und bei welchen nicht.

Die Schwachstellen bleiben im Dunkeln, von Transparenz ist man sehr weit entfernt. Die Veränderung der Verwaltungsstruktur wird durchgezogen verbunden mit Personalentscheidungen, die sich massiv auch auf den derzeitigen Zustand der Verwaltung auswirken. Wir bekommen eine neue Leiterin für den Fachbereich 1. Der Fachbereich 1 ist u.a. für Personal und Digitalisierung zuständig und koordiniert in der weiteren Funktion als büroleitenden BeamƟn die Arbeit der anderen Fachbereiche (Linien- und Stabsfunktion in einer Hand = im Normalfall ein No Go). Es handelt sich um die herausragende Stellung in der Verwaltung und USB Mitglieder waren die einzigen, die sich die Bewerbungsunterlagen angesehen haben und auf möglicherweise nicht ausreichende Erfahrung im Bereich der Digitalisierung aufmerksam machten. Der seit mehr als 25 Jahren in verantwortlicher Position stehende Leiter des Fachbereichs 5 wird in die zweite Reihe abgeschoben und ein in Bauleitplanung und Planungsrecht nahezu unerfahrener neuer Mitarbeiter übernimmt die Leitung der zusammengefassten Fachbereiche 4 und 5. Es mag sein, dass altgediente und sehr erfahrene Mitarbeiter gelegentlich widersprechen, aber wenn sich in dem Gutachten keine entsprechenden Passagen finden, die ein solches Vorgehen rechtfertigen, muss man diese Personalie hinterfragen. In der Wirtschaft, hätte die Erfahrung des bisherigen Fachbereichsleiters die drei letzten Jahre seines Wirkens weitergelebt und der Neueinsteiger hätte Zeit gehabt, in seine Fußstapfen zu treten und den Staffelstab dann zu übernehmen (Personalentwicklung statt Einzelentscheidung). Die offizielle Begründung, der bisherige Leiter des Fachbereichs 5 hätte die neu geschaffene Stelle nicht antreten wollen, da er sich voll auf seine Aufgabe als GF der Abwasserversorgung Bargteheide GmbH konzentrieren wolle, schrammt wohl deutlich an der Wahrheit vorbei.


Beispiel 2 – Kündigungsrücknahme
Das in Auftrag gegebene Gutachten über die Verwaltungsstruktur ist von der Transparenz genauso ausgeschlossen wie die wundersamen Vorgänge um die Rücknahme der Kündigung der Personalrat-Vorsitzenden. Auch hierzu haben wir eine große Anfrage gestellt. Wir werden das Gefühl nicht los, dass den Fraktionsvorsitzenden zu der Begründung der Rücknahme der Kündigung nicht die Wahrheit gesagt worden ist. Wir haben nach einem Dokument gefragt und es wäre, sofern es ein solches Dokument geben würde, ein Leichtes, dieses vorzulegen. Stattdessen wird der Datenschutz herangezogen,
um uns die große Anfrage nicht beantworten zu müssen. Auch dieses prüft derzeit die übergeordnete Behörde des Innenministeriums. Aber auch da werden wir vor Ende der Wahlperiode wohl kaum eine Antwort erhalten, d. h. die Transparenz weicht einer Blackbox.


Aber auch andere Bereiche haben wir (vergeblich) aufgegriffen. Die USB war auch beteiligt an dem Verfassen einer neuen Geschäftsordnung und dem Aufbau eines neuen Berichtswesens. Nach diesem hätte im ersten Quartal sowohl ein Digitalisierungsbericht als auch ein Personalbericht der Stadtvertretung vorgelegt werden müssen. Beides ist nicht geschehen, die Aktualisierung des Digitalisierungsberichts vermissen wir schon seit Herbst letzten Jahres. Kein Wunder, hat doch die bisherige Personalchefin das Haus verlassen, ebenso wie weitere Mitarbeiterinnen aus dem Personalbereich und auch die Verantwortliche für Digitalisierung ist daher nicht mehr beim Team. Der externen Beratungsfirma wurde der Vertrag nicht verlängert, die personelle Unterstützung wurde gestrichen, obwohl die Stadtvertretung Gelder bereitgestellt hatte und so ist wohl an eine Beschleunigung der Digitalisierung in Bargteheide wahrlich nicht zu denken.


Es wurden mindestens 6 Stellen ohne Ausschreibung besetzt. Auf Anfrage erklärt die Bürgermeisterin, dass eine Stellenausschreibung nur bei Beamten Pflicht wäre. Diese Auskunft ist laut Telefonat mit der Gewerkschaft VERDI falsch, jedoch warten wir hier noch auf die schriftliche Bestätigung.


Von drei Parteien und einer Wählervereinigung ist dazu nichts zu hören, denn es wäre ja möglicherweise schädlich, sofern vor der Kommunalwahl ruchbar würde, dass die von ihnen ins Amt geholte Verwaltungschefin keinesfalls an der Spitze einer Transparenzbewegung steht. Wenn die von Bürgern gewählten Menschen kuscheln statt zu kontrollieren, werden sie ihrer Aufgabe nicht gerecht.


Ohne Fraktion keine großen Anfragen, ohne große Anfragen keine Antworten und damit auch keine Transparenz. Große Anfragen sind öffentlich und müssen laut unserer Geschäftsordnung allen Stadtvertretern zugehen und zwar inklusive der Antworten und dann gibt es in der Stadtvertretung eine entsprechende Aussprache dazu. Interessant war auch zu lernen, dass die Geschäftsordnung zwar für die Stadtvertreter gilt, die in der Geschäftsordnung jedoch auch aufgeführte Bürgermeisterin, sich jedoch nicht daran zu halten hat. Jedenfalls können wir unsere Bemühungen nicht zu Ende bringen, was wir bisschen schade finden aber es ist wie es ist. Bargteheide wünschen wir alles Gute.

 

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